Remote Daily Stand-Ups meint täglich stattfindende Planung im Team, bei der ein oder mehrere Teammitglieder nicht am gleichen Standort sind wie der Rest des Teams. In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrung mit solchen Teams beschreiben und ein paar Tipps geben, wie man die auftretenden Schwierigkeiten meistern kann.
Daily Scrum Meetings – oder auch einfach Stand-Ups – stellen viele Teams vor eine Herausforderung. Gerade in der Aufbauphase des Teams tun sich so einige Teams schwer einen sinnvollen Inhalt und ein funktionierendes Format festzulegen. Geht der Impuls damit überhaupt anzufangen nun auch noch von einem “Externen” – etwa Vorgesetzten oder auch Coach bzw. Scrum Master aus, so ist die Akzeptanz und Disziplin im Team meist sehr dünn. Ist dieser “Externe” einmal nicht da, schon fällt das Daily aus.
Boards & Buddies
Als eine sehr starke Hilfe habe ich die Visualisierung und Interaktion des Teams mit seinem Team-Board beobachtet. Das klappt am besten, wenn das Team ein analoges Board z.B. an einem Whiteboard im Einsatz hat. Im Stand-Up aktualisiert jedes Teammitglied verbal (es beschreibt die Aufgaben kurz) und haptisch (die Karte am Board wird geschoben, ggf. einfach auch anfassen) seinen Arbeitsstand. Damit löst sich das Team von ganz allein von einem Reporting-Charakter. Es eröffnet auch das Experimentieren andere Abläufe im Stand-Up: etwa anstatt dass jedes Teammitglied der Reihe nach etwas sagt, geht das Team die Karten am Board durch und nur diejenigen sagen etwas dazu, die daran arbeiten.
Schwieriger wird es, wenn einige Teammitglieder nicht am gleichen Standort sind. Generell gibt es hier mehrere Varianten, wie ein Team in diesem Fall mit seinem Team-Board umgeht. Ein analoges Board kann auch hier funktionieren, ist aber viel aufwendiger. Denn damit die entfernten Teammitglieder auch damit arbeiten könnten, bräuchten sie eine Kopie des Boards, die immer aktuell ist. Damit ist Aufwand und viel Disziplin verbunden – etwa über ein “Buddy-System” von 2 Leuten, die für das aktuell-halten des Boards an beiden Standorten verantwortlich sind. Selbst der Gedanke, dies zu einfachen und einfach das entfernte Teammitglied live zuschauen zu lassen, wenn das Team im Stand-Up sein Board aktualisiert, funktioniert leider eher schlecht. Denn selbst in einem 1080p Video-Bild aus dem Teamraum mit Abfilmen des Teamboards lassen sich kaum Details erkennen. Zudem braucht das entfernte Teammitglied trotzdem einen “Buddy” um seinen eigenen Arbeitsstand am Board aktuell zu visualisieren.
Die meisten Teams nervt in dieser Konstellation mit entfernten Teammitglieder sehr schnell das analoge Teamboard und sie wechseln zu einer digitalen Lösung. Braucht man keinen großen Detailgrad der Tickets mit Feldern und Filtern und ist nicht an Prozesse wie etwa Code-Repositories, Deployments oder auch andere Teams gebunden so kann man sehr simple Tools wie etwa Trello nutzen. Diese haben den Vorteil, dass sie einfach zu lernen, aufzusetzen und zu bedienen sind. Gerade bei Scrum-Teams in einer skalierten Scrum-Umgebung mit mehreren Teams am selben Produkt stößt man hier aber schnell an Grenzen. Alle Scrum-Teams, die ich bisher unterstützt habe, setzten daher auf komplexere Tools wie etwa JIRA.
JIRA bietet Scrum und Kanban-Boards, die sich in einem Stand-Up sehr leicht auf einen großen TV darstellen lassen. Um das an- und abstecken der Technik nicht jeden Tag aufs Neue machen zu müssen empfiehlt sich ein extra Mini-PC am TV – etwa ein Barebone-PC, Mac mini oder aber auch ein AppleTV oder Chromecast mit Streaming von einem der Teammitglieder. Das Board kann man dann z.B. über das Screen-Sharing der Videokonferenz-Software mit dem anderen Standort teilen. Die meisten Lösungen bekommen das heute problemlos hin, sei es nun Skype, Hangouts, GoToMeeting oder Appear.in – das sind zumindest die, mit denen ich ganz gute Erfahrung gemacht habe.
Akustik mit Spinne
Viel wichtiger als Videokonferenz-Software, Webcam oder Qualität des Videobildes ist aber der Ton. Ein Team Stand-Up kann man sehr leicht mit Tonproblemen extrem nervig und langatmig gestalten oder es sogar ganz töten. Man kann in bessere Akustik nun aber auch sehr viel Geld reinstecken – komplette Setups für Videokonferenzsysteme in Meeting-Räumen sind schnell bei 10000€ pro Raum. Ein passabler Kompromiss sind meiner Erfahrung nach Meeting-”Spinnen”. Die Jabra Speak Freisprecheinrichtungen sind sehr preiswert, haben aber den Nachteil, dass die Reichweite des Mikrofons nur recht gering ist und dass sie nur ein gerichtetes Mikrofon in der kreisrunden Plastikoberfläche haben. Mit den Jabras gibt es auch recht preiswerte Lösungen in Verbindung mit Barebone-PC und Webcam wie etwas Googles Chromebox for Meetings, oder auch Microsofts Skype for Business. Noch besser sind die “Chat” Mikrofone von ClearOne. Ich habe bisher mit den Chat 150 und Chat 170 gearbeitet. Allerdings kosten diese auch gleich mal das dreifache der Jabras. Die Chat-Mikrofone haben allerdings eine bessere Reichweite und Mikrofone an drei Seiten.
In Team Stand-Ups hat man nun aber sehr selten einen Tisch in der Mitte des Teams stehen, auf dem man ein Tischmikrofon stellen könnte. Platziert man es auf einem der Schreibtische oder direkt am TV sind die Teammitglieder, die sehr nah am TV stehen gut zu verstehen, die aus dem Hintergrund aber gar nicht. Hier kann man aber etwas kreativ werden: man besorge sich ein Stativ und eine Befestigungsplatte bzw. eine Halterung für Tablets sowie ein langes USB-Kabel. Das Mikrofon damit auf dem Stativ befestigt und schon kann man es in die Mitte des Teams im Stand-Up stellen. Oder man geht noch einen Schritt weiter und sieht einen “Sprechbereich” für die Teammitglieder vor – etwa eine geklebte Linie auf dem Boden. In Kombination mit einem Speaker-Token wie einem kleinen Ball oder Rugby-Ball stellt sich jeder, wenn er an der Reihe ist genau an die Linie. Diese ist genau am Mikrofon und jeder ist ausgezeichnet zu verstehen.
Headsets für Alle …